Darf die Steuerbehörde die Festplatte Ihres PC kopieren?

Darf die Steuerbehörde die Festplatte Ihres PC kopieren, um Ihre steuerliche Situation oder die steuerliche Situation von Drittpersonen eingehend zu prüfen? Dies ist einer belgischen Gesellschaft mit einer luxemburgischen Schwesterfirma geschehen. Die Steuerbehörde kopierte die vollständige Festplatte ohne ausdrückliche Zustimmung des Steuerpflichtigen. Das Gericht war der Auffassung, dass die Steuerbehörde zu weit gegangen war, doch der Appellationshof sieht dabei kein Problem.

Eine Kopie anfragen oder sie machen?

Hierbei geht es um 2 Gesetzesbestimmungen. Artikel 315bis EGB92 (Einkommenssteuergesetzbuch) führt an, dass Sie - wenn die Steuerverwaltung Sie darum bittet - eine Kopie der EDV-Dateien “in der von den Beamten gewünschten Form” machen müssen. Auf der anderen Seite gibt es Artikel 319 EGB92, der besagt, dass Beamte ohne weiteres in gewerblich genutzte Räume eintreten und dabei nachsehen dürfen, was in den Computern steht (ggf. auch Dateien ausdrucken).
Wenn die Steuerbehörde hereinplatzt und die Festplatte kopiert, fällt dies unter Artikel 315bis (Sie müssen auf Bitte des Steuerbeamten eine Kopie erstellen) oder unter Artikel 319 (es ist keine Zustimmung erforderlich)?
Wir weisen Sie beiläufig noch darauf hin, dass auf dem PC des Steuerpflichtigen auch private Dateien vorhanden waren. Es war also nicht nur eine Frage von “kein Einverständnis”, sondern auch von einer “Verletzung der Privatsphäre”.

Gericht gegen Gerichtshof

Das Gericht, das die Situation zuerst beurteilen musste, urteilte noch zugunsten des Steuerpflichtigen. Der Richter vertrat die Ansicht, dass Artikel 315bis vorrangig angewendet werden musste und weil da steht, dass die Verwaltung “mit der Hilfe des Steuerpflichtigen” Kopien erstellen darf, impliziert dies, dass der Steuerpflichtige sein Einverständnis geben muss.
Der Appellationshof ist da anderer Meinung, denn Artikel 319 erlaubt es der Steuerverwaltung ohne Einverständnis in die gewerblich genutzten Räume einzutreten und dabei Bücher und Schriftstücke im Hinblick auf die Kontrolle der Steuereinkommen zu öffnen. Laut Gerichtshof sind EDV-Dateien auch “Bücher und Schriftstücke”. Die Kontrolle dieser Dateien kann viel Zeit in Anspruch nehmen und weil Sie auch nicht erwarten können, dass die Verwaltung ihr Zelt in Ihrem Büro aufschlägt, ist es logisch, dass die Verwaltung eine vollständige Kopie dieser Dateien erstellt.

Hausdurchsuchung

Wenn aus strafrechtlichen Gründen eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird, müssen die Kontrolleure eine gerichtliche Genehmigung haben. Wenn die Steuerverwaltung Privaträume betreten will, muss der Richter des Polizeigerichts seine Zustimmung geben. Doch für beruflich genutzte Räume ist dies nicht erforderlich und die Steuerverwaltung darf ohne Warnung eintreten und Schränke und Schubladen öffnen. Ist der Schrank abgeschlossen, müssen Sie den Schlüssel nehmen und aufschließen. Und wenn Ihr PC mit einem Passwort gesichert ist, müssen Sie ebenso Ihr Passwort eingeben, damit die Steuerbehörde nachsehen kann, was sich in Ihrem PC befindet.
Ist die Privatsphäre dadurch nicht verletzt worden, denn es können doch auch private Sachen darin stehen? Nein. Die nationale und internationale Rechtsprechung bestätigt, dass eine vollständige Kopie gerechtfertigt ist, weil die Alternative (d.h. die Informationen zu sortieren, bevor sie kopiert werden) wiederum so zeitraubend wäre, dass die Untersuchung an Effizienz einbüßen würde.

Besonderheit der Situation

Der Fall, der vom Appellationshof geschlichtet wurde, wies doch einige Besonderheiten auf, die die letztendliche Entscheidung vielleicht beeinflusst hatten.
Scheinbar hatte der Steuerpflichtige während der konkreten Kontrolle “gut kooperiert”. Er hatte den Beamten gezeigt, wo die gesuchten Informationen sich befanden, und er hatte ohne jeglichen Vorbehalt das Passwort des PC eingegeben.
Des Weiteren war der Steuerpflichtige selbst nicht Gegenstand der Untersuchung. Es ging dabei um die Kontrolle einer Schwestergesellschaft in Luxemburg. Die Steuerbehörde wollte mit dieser Information deutlich machen, dass diese luxemburgische Gesellschaft eine leere Hülse ist, und alle Transaktionen eigentlich von Belgien aus erfolgten. Das Argument der Verletzung der Privatsphäre gilt somit eigentlich nicht mehr. Außerdem können Verfahrensfehler “berichtigt” werden, wenn Sie als Steuerpflichtiger Ihr Einverständnis geben.

Das Urteil von Brüssel (9. Oktober 2019, 2015/AF/123) lehrt uns vor allem, daß die Zuständigkeiten der Steuerbehörde besonders umfassend sind. Und dass Sie Ihren privaten Schriftverkehr besser nicht zusammen mit Ihrem beruflichen Schriftverkehr aufbewahren sollten.