Modernisierung des Verbraucherrechtes
In einem Gesetz vom 20. März 2022 wurden 2 Richtlinien im belgischen Recht
umgesetzt. Sie bringen wichtige Änderungen am Verbraucherrecht mit sich, was den
Verkauf von Warten mit einem digitalen Element und den Verkauf von digitalen
Inhalten und digitalen Dienstleistungen angeht. Weil es eine europäische
Initiative ist, gelten die neuen Regeln überall in Europa, aber nicht
außerhalb.
Im belgischen Recht
2011 wurden auf europäischer Ebene die ersten Initiativen ergriffen, um das
Verbraucherrecht dem digitalen Markt anzupassen. Im Laufe des Jahres 2015
ergaben sich zwei Richtlinienvorschläge. In einem Vorschlag sollten bestimmte
Gesichtspunkte der Vereinbarungen über die Lieferung digitaler Inhalte geregelt
werden, um anderen lag der Schwerpunkt auf bestimmte Aspekte der Abkommen über
Online-Verkäufe und sonstige Fernverkäufe von Waren. Der Vorschlag wurde letzten
Endes auf alle Verkaufskanäle ausgedehnt. Beide Richtlinien wurden in der ersten
Hälfte von 2019 definitiv. Sie wurden unlängst in belgisches Recht umgesetzt,
und zwar am 31. März 2022 mit einem Gesetz vom 20. März 2022, das am 1. Juni
2022 in Kraft treten wird.
Das Gesetz umfasst zwei große Bereiche. In einem werden die Regeln über den
Verkauf von Waren modernisiert. Mit dem zweiten Bereich wird ein neues Kapitel
dem ehemaligen Zivilgesetzbuch hinzugefügt. Es behandelt den Verkauf von
digitalen Inhalten und Dienstleistungen.
Teil 1: Verkauf von Warten mit einem digitalen Element
Es geht hier um intelligente Thermostate im Haus, die Smartwatch an Ihrem
Handgelenk...
Eine Hauptregel bei dieser Art von Vereinbarungen lautet, dass der Verkäufer dem
Käufer eine Warte in Übereinstimmung mit der Vereinbarung liefern muss:
Die Ware muss übereinstimmen mit der Beschreibung des Verkäufers im breiten
Sinne (Bezeichnung, Typ, Quantität, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität und
Interoperabilität).
Die Ware muss übereinstimmen mit jedem vom Verbraucher gewünschten
Sondergebrauch, sofern dieser Gebrauch spätestens beim Abschluss der
Vereinbarung dem Verkäufer mitgeteilt wird und dieser diesen Gebrauch auch
angenommen hat.
Die Ware muss geliefert werden mit sämtlichem Zubehör und allen Anleitungen,
einschließlich der Installationsanweisungen, wie in der Vereinbarung
festgelegt.
Die Ware muss mit Updates versehen werden, wie in der Vereinbarung
festgelegt.
Laut den neuen Regeln bleibt der Verkäufer haftbar für jeden Konformitätsmangel,
der bei der Lieferung der Waren vorliegt und der binnen 2 Jahren nach der
Lieferung erscheint. Das ist eine wichtige Erweiterung. Bisher wurde angenommen,
dass ein Mangel, der binnen sechs Monaten nach der Lieferung auftritt, bereits
zum Lieferzeitpunkt bestanden hat. Diese Frist wird nun auf 2 Jahre verlängert.
Das ist eine widerlegbare Vermutung. Es obliegt dem Verkäufer der Nachweis,
dass es einen anderen Grund für den Mangel gibt.
Die Regel, dass der
Verbraucher den Verkäufer binnen 2 Monaten benachrichtigen muss, bleibt
bestehen.
Ferner muss der Verkäufer dieser Art von Waren dafür sorgen, dass die Waren
konform bleiben. Dies bedeutet, dass er sich um die Updates kümmern muss (z.B.
Sicherungsupdates), die notwendig sind, um konform zu bleiben, was der
Verbraucher vernünftigerweise erwarten darf.
Die Verpflichtung des Verkäufers
beschränkt sich auf die Updates, die notwendig sind für die Wahrung der
Konformität von derartigen Waren mit den objektiven und subjektiven
Konformitätsanforderungen.
Bei einer Sportuhr mit GPS-Tracking darf der Konsument beispielsweise erwarten,
dass die GPS-Daten regelmäßig aktualisiert werden. Upgrades, die auf neuere
Uhren angewendet werden und an und für sich keine Auswirkungen auf die
Konformität der vom Verbraucher gekauften Sportuhr haben, gehören nicht
dazu.
Schließlich muss die Ware auch nachhaltig sein. Auch hier hängt viel von der Art
der erworbenen Waren und von den Aussagen des Verkäufers (oder Herstellers) ab.
Wenn die Ware einen Konformitätsmangel aufweist sie funktioniert nicht
vereinbarungsgemäß gibt es drei Möglichkeiten:
Der Verbraucher bittet um die Reparatur oder den Ersatz der Ware (außer wenn
dies nicht möglich ist oder unverhältnismäßige Kosten für den Verkäufer
entstehen sollten).
Der Verbraucher erhält eine vernünftige Preisminderung.
Der Kaufvertrag wird aufgelöst (der Verkäufer nimmt die Ware zurück und bezahlt
dem Verbraucher den Preis).
Teil 2: Verkauf von digitalen Inhalten und Dienstleistungen
Der Verkauf von digitalen Inhalten und Dienstleistungen umfasst folgendes:
Rechnerprogramme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien,
digitale Spiele, E-Bücher oder sonstige elektronische Veröffentlichungen und
digitale Dienste, die das Zustandekommen und die Verarbeitung von, den Zugang zu
oder die Speicherung von Daten digital ermöglichen, einschließlich Software als
Dienstleistungen, wie das Teilen von Video- und Audiomaterial und anderen
Dateihostingsdienstleistungen, Textverarbeitung oder Spiele, die angeboten
werden in der Cloud-Umgebung und auf den sozialen Medien.
Internetzugangsdienste fallen nicht darunter.
Digitale Glücksspiele,
Online-Finanzleistungen oder digitale Inhalte seitens der Regierung oder
Behörden gehören ebenfalls nicht dazu.
Im ehemaligen Zivilgesetzbuch wird ein ganz neues Kapital VIbis Vereinbarungen
über die Lieferung von digitalen Inhalten und Diensten eingefügt.
Dieser
neue Titel beschreibt die Konformitätsanforderungen, denen Inhalte oder
Dienstleistungen gerecht werden müssen.
Die Garantiefrist für digitale Inhalte und Diensten beträgt auch 2
Jahre.
Doch die Vermutung, dass der Mangel bereits bei der Lieferung bestand,
gilt nur, wenn der Mangel binnen des 1. Jahres nach der Lieferung auftritt. In
der Frist muss der Händler das Gegenteil beweisen.
Der Verbraucher muss seine
Forderung binnen eines Jahres ab dem Tag der Feststellung des
Konformitätsmangels einreichen.
Im Prinzip und sofern nicht anders vereinbart, muss der Verkäufer digitale
Inhalte oder Dienste sofort liefern. Falls nicht, muss der Verbraucher den
Händler zu einer erneuten Lieferung ermahnen. Geschieht dann noch immer nichts,
hat der Verbraucher das Recht, den Kaufvertrag aufzulösen.
Im Falle eines Konformitätsmangels hat der Verbraucher das Recht,
a) den
digitalen Inhalte oder Dienst konform werden zu lassen;
b) eine vernünftige
Preisreduzierung zu erhalten oder
c) den Kaufvertrag zu lösen.
Ein wenig unbekannt ist, dass durch die Gesetzesänderung der Händler, der
haftbar ist (wegen Nicht-Lieferung oder eines Konformitätsmangels) das Recht
besitzt, Regress auf die in der Vereinbarungskette verantwortliche Person oder
verantwortlichen Personen auszuüben, ohne dass eine Vertragsklausel diese
Verantwortlichkeit einschränken oder ausschließen kann.
Wichtige Änderung
Aufgrund ihrer Komplexität ist diese Gesetzesänderung ein wenig im Hintergrund
geblieben. Die Folgen sind jedoch weitreichend, und es ist nicht möglich, in
Kleinbuchstaben auf der Rückseite des Bestellscheins die gesetzliche
Verantwortlichkeit zu umgehen.