Aufschub der Sozialwahlen infolge der Coronakrise
Im Prinzip hätten die Sozialwahlen zwischen dem 11. Mai und 24. Mai erfolgen sollen. Im Vorfeld dieser Sozialwahlen gibt es zwei wichtige Termine: das Datum, an dem die Sozialwahlen ausgehängt werden (grundsätzlich drei Monate vor den Wahlen), und 60 Tage vor diesem Datum die erste Bekanntmachung der Sozialwahlen. Corona hat jedoch all diese Termine auf den Haufen geworfen.
Der Zeitplan
Bei den Sozialwahlen ist der Zeitplan ein wichtiges Element. Dieser Zeitplan bestimmt nämlich, wann der Arbeitgeber mit den einzelnen Etappen im Laufe des Prozesses fertig sein muss und auch inwiefern der Arbeitnehmer, der sich zur Wahl stellt, zusätzlichen Schutz vor einer Entlassung genießt.
Es sind drei wesentlich Termine zu behalten. In umgekehrter zeitlicher Folge handelt es sich um folgende:
Y = der Tag, an dem die Sozialwahlen stattfinden;
X = der Tag, an dem das Datum der Sozialwahlen bekanntgemacht wird und
X - 60 = der Tag, an dem die erste Mitteilung bezüglich der Sozialwahlen ausgegeben wird.
Diese Termine waren für die anstehenden Sozialwahlen folgende:
Y = 11. Mai 2020 bis 24. Mai 2020;
X = 11. Februar 2020 bis 24. Februar 2020;
X-60 = 11. Dezember 2019 bis 24. Dezember 2019.
Am 13. Mai erschien im belgischen Staatsblatt ein Gesetz, in dem der Aufschub der Sozialwahlenprozeduren für das Wahljahr 2020 gesetzlich verankert wurde. Das Gesetz bestätigt lediglich die Absprache von einigen Wochen vorher. Der eigentliche Aufschubsbeschluss wurde bereits am 17. März 2020 von den Sozialpartnern innerhalb der Zehnergruppe genommen.
Das Gesetz bestimmt, dass wegen der Coronakrise alle laufenden Wahlprozeduren im Rahmen der Sozialwahlen des Wahljahres 2020 ab dem Tag X + 36 aufgeschoben werden.
In der Praxis
Jedes Unternehmen, das Sozialwahlen organisieren muss, muss das laufende Sozialwahlverfahren bis zum Tag X + 35 einschließlich beenden. Danach wird das Verfahren ab dem Tag X + 36 während einer noch unbestimmten Frist ausgesetzt. Das Ende des Aufschubzeitraumes sowie die Wiederaufnahme des Verfahrens werden später per Königlichen Erlass festgelegt.
Dies gilt sowohl für Unternehmen, die das Verfahren im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Zeitplanes verfolgen, als auch für die, die das Wahlverfahren später einleiten, sowie auch für Unternehmen, deren Verfahren infolge von Berufungsanträgen vor den Arbeitsgerichtshöfen oder sonstigen Aufschüben in Verzug geraten ist.
X+ 35 und X + 36
Der Verweis auf X + 35 bezieht sich auf die erste Aushängung der Kandidatenlisten. Sämtliche Handlungen und Entscheidungen, die bis einschließlich X + 35 stattgefunden haben, einschließlich der Gerichtsbeschlüsse in diesem Zusammenhang, sind endgültig. Auch Vereinbarungen bis einschließlich X + 35 (z.B. Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Briefwahl) sind endgültig.
Eine Ausnahme zu dieser Regel: der Beschluss des Wahltermins und gegebenenfalls die Uhrzeiten sowie der ursprüngliche Wahlzeitplan müssen in jedem Unternehmen bei der Wiederaufnahme des Wahlverfahrens im Anschluss an den Aufschub entsprechend angepasst werden.
Alle Handlungen ab dem Tag X+36, zum Beispiel die Aushängung der Kandidatenlisten im Unternehmen sowie die Phasen von Einreden und Berufungen gegen die Kandidatenlisten dürfen nicht fortgesetzt werden. Auch hier gilt eine Ausnahmeregelung: Wenn am Tag X+35 keine einzige Kandidatenliste ausgehängt wurde, darf das Verfahren zur kompletten Einstellung der Sozialwahlen dennoch durchgeführt werden.
In Erwartung der Sozialwahlen
Die bestehenden Beratungsorgane funktionieren weiter bis zum Datum der Einsetzung der neuen Organe, die bei den aufgeschobenen Wahlen gewählt werden. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Beratungsorgane im Unternehmen, z.B. der Betriebsrat und der Ausschuss für Prävention und Schutz am Arbeitsplatz, auch während der Pandemie ihrer Aufgabe gerecht werden können.
Auch der besondere Entlassungsschutz bleibt bestehen, auch während des Aufschubzeitraumes. Dies gilt für sämtliche Kandidaten und für alle Nichtgewählten und für Mitglieder bestehender Beratungsgremien.
Die sog. okkulte Zeit des Entlassungsschutzes für die Kandidaten, die auf X + 35 verlegt wurde, ist vorüber. Der Zeitraum für die Kandidaten, die nach dem Aufschub als Ersatzkandidaten vorgestellt werden, läuft nicht während des Aufschubzeitraumes weiter, sondern beginnt erst wieder ab dem sechsunddreißigsten Tag vor dem Datum der Wiederaufnahme des Wahlverfahrens nach dem Aufschub.
Für die Nichtgewählten im Rahmen der vorhergehenden Sozialwahlen und für die Mitglieder der bestehenden Organe, die sich erneut zur Wahl stellen, und für diejenigen, die vor 17. März 2020 entlassen wurden (Datum des Aufschubbeschlusses der Zehnergruppe), wird die Berechnung der besonderen veränderlichen Abfindung für Entlassungen entsprechend dem ursprünglich vorgesehenen Wahltag beschränkt. Wenn die Betreffenden nach dem 17. März 2020 entlassen wurden, gilt die übliche Berechnung weiterhin, d.h. je nach dem aufgeschobenen Sozialwahlentag.