Welches Alarmsignalverfahren für Gesellschaften, die vor dem neuen Körperschafts- und Vereinigungsrecht gegründet wurden?

Ihre Gesellschaft wurde vor dem 1. Mai 2019 gegründet. Ihr Geschäftsjahr endet am 31. Dezember 2019. Welches Alarmsignalverfahren gilt für Sie?  Das vormalige laut Körperschaftsrecht oder das neue laut dem neuen Körperschafts- und Vereinigungsrecht (WVV)?

Die Unterschiede

Eigentlich gibt es keine großen Unterschiede zwischen dem alten und neuen Alarmverfahren. Gemäß der alten Körperschaftsgesetzgebung mussten die Geschäftsführer das Alarmverfahren lancieren, sobald das Nettovermögen der Gesellschaft unter die Hälfte des Gesellschaftskapitals gefallen war.

Im Körperschafts- und Vereinigungsrecht (WVV) wird ein Unterschied zwischen der GmbH (und der eG) zum einen und der Aktiengesellschaft (AG) zum anderen gemacht.

In einer GmbH muss das Leitungsorgan das Alarmverfahren in Gang setzen, wenn bei einem der beiden folgenden Tests ein „rotes Licht erscheint“:

das Nettovermögen droht, negativ zu werden oder ist es bereits geworden (Bilanztest);

es ist nicht mehr sicher, dass die Gesellschaft angesichts der normalerweise zu erwartenden Entwicklungen imstande ist, mindestens zwölf Monate ihre Schulden je nach ihrer Einforderbarkeit zu begleichen (Liquiditätentest).

Dieser Bilanz- und Liquiditätentest gilt übrigens auch bei Vermögensauszahlungen, z.B. Dividenden.

In einer AG findet das Alarmverfahren Anwendung, wenn das Nettovermögen bis auf unter die Hälfte des Kapitals gefallen ist. Zudem, wenn das Nettovermögen bis auf ein Viertels des Kapitals gefallen ist, reicht ein Viertel der Stimmen der Hauptversammlung bereits aus, um die Auflösung der Gesellschaft gutzuheißen (siehe weiter unten).

Seit dem 1. Januar 2020

Das WVV trat am 1. Mai 2019 in Kraft. Für damals bereits bestehende Gesellschaften tritt das Gesetzbuch in mehreren Phasen in Kraft, wobei der 1. Januar 2020 bereits das wichtigste Stichdatum war. An dem Datum traten die sogenannten „Zwangsbestimmungen“ in Kraft.
Die Regeln des Alarmsignalverfahrens sind verbindlich, was bedeutet, dass sie ab 1. Januar 2020 auch angewandt werden müssen.

In der Praxis werden die Tests bei der Erstellung des Jahresabschlusses durchgeführt, müssen aber nicht. Die Leitung muss die Tests auch dann durchführen, wenn die Umstände darauf hinweisen, dass das Testergebnis negativ ausfallen wird, beispielweise bei einem kaufmännischen Rückschlag oder einem erheblichen Schaden. Das leitende Organ ist eigentlich bereits seit dem 1. Januar 2020 zu diesen Tests verpflichtet, wenn diese sich als erforderlich erweisen sollten.

Was muss das Leitungsorgan tun?

Wenn die Tests auf ein Problem hindeuten, muss das leitende Betriebsorgan die Teilhaber benachrichtigen. Konkret muss es zwei Handlungen vornehmen.

Zum einen muss das leitende Betriebsorgan die Hauptversammlung binnen zwei Monaten einberufen, um entweder die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen oder aber um Maßnahmen zum Fortbestand der Gesellschaft festzulegen und zu verabschieden. Zum anderen müssen die Geschäftsführer, wenn der Fortbestand der Gesellschaft möglich ist, in einem Sonderbericht darlegen, welche Maßnahmen sie vorschlagen, um die Kontinuität der Gesellschaft zu gewährleisten.
Hinweis: Wenn der Sonderbericht des leitenden Organs nicht vorliegt, ist der Beschluss der Hauptversammlung ohnehin null und nichtig.

Wie bereits oben dargelegt, ist die Erstellung des Jahresabschlusses oft der Auslöser der Tests. Der Jahresabschluss muss einige Wochen vor dessen Unterbreitung vor der Hauptversammlung aufgestellt werden. Üblicherweise muss der Jahresabschluss spätestens 15 Tage vor der Hauptversammlung der Aktionäre vorgelegt werden. Für bestimmte Arten von Gesellschaften (z.B. börsennotierte Gesellschaften) kann diese Frist länger sein. Man bedenke, dass die Frist von 2 Monaten für den Bilanz- und Liquiditätentest nicht zum Zeitpunkt der Hauptversammlung und selbst nicht zum Zeitpunkt der Unterbreitung des Jahresabschlusses beginnt. Diese Frist läuft an, sobald das leitende Organ der Gesellschaft feststellt, dass einer der Tests nicht bestanden wurde. Und dies geschieht meist einige Zeit vor der Unterbreitung des Jahresabschlusses.

Einige Neuheiten im neuen Körperschafts- und Vereinigungsrecht

Es gibt noch weitere Neuheiten im Vergleich zum vormaligen Alarmverfahren.
In erster Instanz können Dritte nicht mehr die Auflösung einer GmbH fordern, wenn das Eigenvermögen unter das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital fallen sollte. Bei der AG ist dies nach wie vor der Fall! Wenn jedoch das Alarmsignalverfahren nicht eingehalten wird (zum Beispiel, weil die Hauptversammlung nicht einberufen wurde) und wenn die Vermutung besteht, dass Schäden für Dritte infolge der mangelnden Einberufung der Hauptversammlung entstehen, ist ein Gegenbeweis hingegen zulässig.

Eine zweite Änderung lautet, dass, wenn das Leitungsorgan das Alarmverfahren angewendet hat, es während zwölf Monaten nach der Einberufung der Hauptversammlung nicht dazu verpflichtet ist, diese aus denselben Gründen erneut einzuberufen. Eigentlich bedeutet dies eine regelmäßige jährliche Verpflichtung zur Beurteilung der Notwendigkeit eines Alarmsignalverfahrens.

Allgemein wird angenommen, dass das Alarmverfahren laut dem WVV sicher nicht einfacher geworden ist. In der AG arbeiten wir weiter mit den Nettovermögenstest. In der GmbH kommt der Liquiditätentest dazu, wobei das Leitungsorgan die Pflicht hat, fortwährend die (Über)lebensfähigkeit des Unternehmens zu beurteilen.